Busfahren ist immer ein Abenteuer
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Einen Tag vor
der Abreise hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, das Anders Zorn
Museum in Mora zu besuchen. Weil mein Sohn mehr für die Natur
als für die Kunst übrig hat, setzte er mich auf dem
Weg zu Freunden an der Kirche von Mora ab. Von hier wollte ich am
Nachmittag per Bus zurück nach Blyberg fahren. Ich muss dazu
bemerken, dass keiner unserer Deutschen Freunde je den Versuch wagte,
in Schweden einen Bus zu benutzen. Denn, wie heißt es im
Reiseführer: Um in Schweden mit einem Bus zu fahren, braucht
man viel Zeit und Geduld.
Die Kirche in Mora |
Als erstes holte ich mir im Tourist-Center einen Stadtplan
von Mora und ließ mir den kurzen Weg zum Anders-Zorn-Museum
erklären. Außerdem erfuhr ich, dass ich um 14.48 Uhr
per Bus nach Blybergvilan zurück fahren könne.
Das
Zorn-Museum schien im ersten Moment eine
Enttäuschung zu sein. Die
meisten Etagen waren geschlossen. Dort liefen die
Vorbereitungen für eine neue Zorn-Ausstellung im
nächsten Jahr. Nur die erste Etage konnte ich besuchen,
für den halben Preis. Schon mal ein Lichtblick!
Anders
Zorn
gehörte nicht zu meinen Lieblingsmalern. Die meisten Bilder,
die ich aus dem internet kannte - sein Selbstbildnis,
kräftige Frauenakte
und detaillierte Schwedische Landschaften - waren mir zu realistisch
und
überladen. Doch hier lernte ich
einen ganz anderen Maler kennen. Natürlich hing am
Eingang das mir bekannte pompöse Selbstbildnis. Noch
riesiger
als gedacht. Dann folgten
einige düstere Gemälde. Doch kurz vor dem Ende des
Rundgangs kam endlich das wunderschöne Licht, das besonders im
Herbst über Skandinavien leuchtet, in seinen Bildern zur
Geltung. „Blick von Garberg auf den Siljan“ z.B.
Ein, zwei Kiefern, in der Ferne der See, mehr angedeutet, als gemalt,
und über allem der lichtdurchflutete Himmel. Es folgten noch
ein paar Bilder in ähnlicher Lichterfülle, und zum
Schluss seine wunderbaren Zeichnungen und Skizzen. Sein
Skizzenbuch, in Leder
gebunden, ein winziger Bleistift, mit einer Lederlasche am Buch
festgehalten. Dieses Utensil berührte mich am meisten.
Dieser sehr
kurze Besuch im Zorn-Museum bewirkte, dass ich mir fest vorgenommen
habe, die vollständige Ausstellung im nächsten Jahr
zu besuchen. Vielleicht werde ich ja noch ein echter Anders-Zorn-Fan.
Als
nächstes suchte ich nach einem gemütlichen Platz
für eine Tasse Tee und landete in Wayne's Coffee, um eine mir
bis dato unbekannte Sorte Schwarz-Tee und die unvermeidliche Canelbulle
zu genießen.

Wayne's Coffee - meine 1. Adresse in Mora |
Eine Stunde
vor der Abfahrtzeit des Busses machte ich mich auf die Suche nach der
Haltestelle des Busses 104 Richtung Älvdalen. Ich klapperte
alle
Wartehäuschen rund um die Kirche ab. Doch den Bus 104 fand ich
nicht.
Also
ging ich wieder in das Tourist-Center, um zu fragen, wo die Linie 104
hielte. Doch niemand wusste Bescheid. Hier benutzte anscheinend auch
niemand
den Bus! Die nette Dame rief bei den Verkehrsbetrieben an und
diskutierte 20 Minuten – doch mehr erfuhr auch sie nicht.
Inzwischen drängte die Zeit. Man versuchte nun, die besorgte
Info-Dame mit dem
Busfahrer der Linie 104 zu verbinden. Die Diskussion ging endlos
weiter. Bei der Kirche, hieß es immer wieder. Sie zeigte mir
den vermeintlichen Ort auf dem Stadtplan. Wenige Minuten vor der
Abfahrtszeit ging ich erneut auf die Suche. Dabei erblickte
ich eine Menschenansammlung hinter der Kirche. Sollte das etwa
der Bus-Stopp sein. Und richtig! Dort stand kein
Wartehäuschen, sondern ein portables Halte-Schild auf einem
Betonklotz, und oben dran stand auch die Nummer 104.
Der Bus kam
pünktlich. Und schon saß ich zum ersten Mal in einem
Schwedischen Bus, zwischen Dutzenden von Schülern, die nach
Hause fuhren. Als mein Halteort Blybergvilan auf der Anzeigetafel
aufleuchtete, drückte ich den Halt-Button. Und das war zu
früh. Bei uns in Lübeck muss man den Button immer
möglichst früh drücken, damit der Fahrer
sich darauf einrichten kann. Doch die Busfahrerin hielt sofort an, weil
sie meinte, ich wolle gleich hier aussteigen! Mitten auf der Strecke,
10 Kilometer vor der offiziellen Haltestelle! Ich erklärte
ihr, dass ich
erst am richtigen Haltepunkt aussteigen wolle. Das klappte zum
Glück.
An der
Haltestelle ließ die Fahrerin mich
aussteigen und ich ging die 500 Meter bis zur
Kreuzung, an der
die steile Straße nach Blyberg beginnt, die ich bisher nur
per Auto kennengelernt hatte. Gut gelaunt machte ich
mich auf den 3
Kilometer langen Weg nach oben. Dabei beglückwünschte
ich mich zu meinen neuen Wanderschuhen. Zwei Minuten
später wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ein
Geländewagen neben mir hielt. Der Mann hinter dem Steuer,
seiner Kleidung nach ein Landwirt, guckte fragend zu mir
rüber. Ich machte Zeichen, ob ich einsteigen dürfe
und er nickte. So ganz wohl fühlte ich mich dabei
nicht. Ich fahre sonst nicht per Anhalter. Doch dann dachte ich mir,
auf dieser steilen, verlassenen Straße, die in ein noch
verlasseneres Dorf führt, wird sich kaum ein
Frauenmörder herum treiben.
Ich
versuchte, mich mit ihm auf Englisch zu verständigen. Doch die
Sprache verstand er nicht.
„Fritidshus“
sagte ich und holte meinen in weiser Voraussicht eingesteckten
„Ausweis“ hervor, die Bestätigung meiner
Ferienhausbuchung bei Novasol, samt Foto meines gebuchten Domizils.

Unser Ferienhaus in Blyberg |
Er guckte
sich das Foto unterwegs ein paar mal an und fuhr mich direkt
bis vor die Haustür. Dort erfuhr ich, dass er etwas weiter
oben, hinter der Bergkuppe, wohnte.

Die "Straße", in der wir wohnten |
Das war mein
vorletzter Tag in Blyberg und Mora/Dalarna. Ein Tag voller
Überraschungen mit einem versöhnlichen Ende. Mein
Sohn scherzte nur: „Dich kann man nicht allein lassen.
Steigst bei fremden Männern in den Wagen!“
Doch
ich glaube, ein bisschen stolz ist er schon. Nun kann er seinen
Freunden erzählen: "Meine Mutter ist die erste
Deutsche, die einen Schwedischen Bus benutzte!"
Und warum
soll sie nicht auch mal per Anhalter fahren?
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Anders Zorn - The complete
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Anders Zorn Museum Mora/Dalarna
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